New Work: Chance & Change durch Digitalisierung

Session von Angie Kiefl, Impact Hub Dresden, beim openTransfer CAMP #Digitalisierung am 15.09.2018 in Dresden

Wie wollen wir arbeiten und wie gestaltet sich der Arbeitsalltag vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung? Angie Kiefl stellte verschiedene Organisationsformen wie Holacracy vor und sammelte Ideen, wie wir alle mit den Herausforderungen der komplexen Arbeitswelt umgehen können.

Angie Kiefl ist Program Manager beim Impact Hub Dresden. Zuvor arbeitete sie in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Dieser Arbeitskontext war für sie stets sehr emotional geprägt und nah an den Menschen, die sie umgaben. Die jetzige Arbeitswelt nimmt sie als komplex und fast unüberschaubar wahr. Die Frage nach dem Wesentlichen führte sie zu den Theorieansätzen von Frithjof Bergmann, einem Philosophen und Begründer der „New Work“-Bewegung.
Zentral ist dabei laut Angie Kiefl immer die Frage nach einer „Arbeit, die man wirklich will“. So bringen die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung viele neue Möglichkeiten mit sich, stellen uns aber auch vor neue gesellschaftliche Herausforderungen. Die drei Kernwerte der „New Work“ sind daher die Entfaltung im Sinne einer wirklich selbstständigen Möglichkeit mitzudenken, die Handlungsfreiheit jeder und jedes Einzelnen sowie die Teilhabe an der Gemeinschaft.

Ein Frau hält ein Mikrofon und ist von mehreren Menschen umgeben.

Die Frage nach dem Sinn
Die größte Herausforderung liegt aber darin, eine persönliche „New Work“-Vision zu finden. Angie Kiefl hob hervor, dass die Frage nach dem Sinn (purpose) die wichtigste ist, der sich sowohl Individuen als auch Teams oder ganze Organisationen stellen müssen. Das kann zum Beispiel über das Hinterfragen von festgelegten Strukturen beginnen. Fragestellungen, die sie auch der Gruppe dazu mitgab, waren:
• Wo arbeiten wir?
• An was arbeiten wir?
• Wie gehen wir miteinander um?
• Welche Rituale gibt es in unserem Arbeitsalltag?

Während der Diskussion wurde der Holacracy-Ansatz als ein Zukunftsmodell von Arbeitsorganisation vorgestellt. Damit wird in erster Linie ein System von Entscheidungsfindungsprozessen bezeichnet, welches auf einer Organisation beruht, die Rollen innerhalb abgegrenzter Bereiche vorsieht. Bei dieser neuen Organisationsform funktionieren Entscheidungen anders als die typische Top-down-Hierarchie in klassischen Unternehmen. Die Beschäftigten arbeiten autonom in ihrem Bereich. Hier stehen aber nicht unbedingt demokratische Prinzipien im Vordergrund, sondern eine dynamische Steuerung, die ständig angepasst werden kann. Organisationen, die bereits erfolgreich damit arbeiten, sind The Dive in Berlin oder das Impact Hub Wien.

Auch wurde klar, dass es gar nicht immer so einfach ist, den purpose zu finden, aus dem wiederum die Kraft für solche Veränderungsprozesse geschöpft werden kann. Ein Teilnehmer betonte, es müsse einen Raum geben, um sich individuell, aber auch im Team mit der „Sinnfrage“ auseinander setzen zu können. Dafür könne man sich nicht immer die Zeit nehmen. Die Sessiongeberin beschrieb diesen Prozess im Impact Hub: Ausgangspunkt ist eine wertebasierte Visionsentwicklung mit dem Team. Erst danach wird eine Strategie entwickelt und umgesetzt. Um das Ziel dabei nicht aus den Augen zu verlieren, hilft es, diese drei zentralen Fragen zyklisch zu stellen:
• Wer braucht das?
• Was braucht sie oder er?
• Warum braucht sie oder er das?

Hierarchien & Spielräume
Ein anderer Teilnehmer empfand dezentrale Hierarchien und weniger Druck als großen Vorteil der neuen Arbeitsformen. Er gab aber zu bedenken, dass es immer noch genug Tätigkeiten gebe, die auf Effizienz und Druck basierten. Seine Forderung beinhaltete eine wirklich kooperative Wirtschaftsform mit einem radikalen Wandel im Sinne einer Gemeinwohlökonomie.
Ein weiterer Teilnehmer gab zu bedenken, dass gerade die Tätigkeiten, die vorrangig im Niedriglohnsektor, z. B. Kurierfahrerinnen oder -fahrer sowie Imbissverkäuferinnen und -verkäufer, nicht von den New-Work-Ansätzen profitierten und oft in Unternehmen, die streng hierarchisch organisiert sind, angestellt sind bzw. quasi-selbstständig arbeiteten. Die Gruppe war der Meinung, dass es auch hier Wirkungseinheiten gebe, in die sich diese Personen durchaus einbringen könnten. Zudem sei die Bereitschaft, Verantwortung tragen zu wollen individuell sehr unterschiedlich. In Bezug auf eine solche Autonomie meinte Angie Kiefl, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen Gestaltungsspielraum zugestanden werden, würden diesen auch nutzen. So könne selbst am Würstchenstand Kreativität entstehen. Wichtig sei vor allem, dass alle bei solchen Prozessen „mitgenommen“ werden würden.

In der weiteren Diskussion wurde ein kurzer Einblick in die Vorteile des Einsatzes von Agile Coaches und Scrum im Management gegeben. Die Retrospektive gilt dabei als wichtiges Mittel. Da Planungen nicht langfristig festgelegt werden und Probleme im laufenden Prozess bearbeitet werden, bleibt man so stets reaktionsfähig.

Zuletzt stellte Angie Kiefl einige Techniken und Methoden vor, die jede und jeder schon jetzt umsetzen kann – ganz ohne die Gesamtstruktur der Organisation auf New Work umzustellen:
• Check-in & Check-out: Ein kurzes Zusammenkommen der Beteiligten mit Fragen: Wo stehst du gerade? Wie geht’s? Wo brauchst du Hilfe?
• Lob-Box: Gelebte Wertschätzung durch kurze Notizzettel mit einem individuellen Lob. Diese könnten auch als Klebezettel direkt verteilt werden.
• Dutzt Euch: Das baut Hierarchien ab und sorgt für mehr emotionale Nähe in der Organisation.
• Gestaltet Räume für Kreativität & Gemeinschaft: Offene Räume, aber auch Rückzugsmöglichkeiten fördern Kommunikation und das Miteinander und voneinander Lernen.

http://dresden.impacthub.net

Foto: Henning Schacht, www.berlinpressphoto.de, CC BY-NC-SA 2.0

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