Skalieren ja oder nein?

Nichts ist wirksamer als die richtige Idee zur richtigen Zeit. Kleine, aber erfolgreiche soziale Ansätze bekommen so innerhalb kürzester Zeit Flügel. Die Tafelbewegung ist dafür ein Beispiel. Eine Berlinerin brachte die Idee Anfang der 90er-Jahre aus den USA nach Deutschland. Das einfache und übertragbare Prinzip traf den Zeitgeist und wurde in anderen Städten aufgegriffen. Über 900 Tafeln gibt es heute in Deutschland, die über 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgen.

 

Eine so rasante Entwicklung ist aber der Ausnahmefall und nicht unbedingt eine sinnvolle Zielsetzung für jeden Ansatz. Wer also sein Projekt transferieren oder skalieren will, sollte sich vorab die Fragen stellen: Will ich das überhaupt? Und wenn ja, besitzt mein Ansatz überhaupt die Voraussetzungen, erfolgreich transferiert zu werden? Leider gibt es dafür keinen Masterplan, der hier vorgestellt werden könnte. Gleichwohl gibt es wichtige Aspekte, die es zu bedenken gilt.

1. Überzeugung und Bereitschaft

Die Weitergabe von Wissen, Projekten und Programmen setzt voraus, dass die handelnden Personen dies auch wirklich wollen. Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, sollte aber dennoch unbedingt bedacht werden. Es stellt sich die zentrale Frage: Bin ich bereit und überzeugt, dass für mich und meine Organisation ein Transfer bzw. eine Skalierung der richtige Weg zum jetzigen Zeitpunkt ist?

2. Erfolgreiches Basismodell

Erfolg fällt zumeist nicht vom Himmel. Er ist in der Regel hart erarbeitet: Zuerst müssen viele Menschen überzeugt werden, bevor überhaupt ein neuer Ansatz entwickelt werden kann. Dann folgen die Pilotphase, die Auswertung und die schrittweise Optimierung des Modells.

Drei Fragen muss ein erfolgreiches Basismodell beantworten: Was ist das Problem, das ich lösen möchte? Wie löse ich das Problem? Und schließlich: Womit kann ich nachweisen, dass mein Ansatz erfolgreich und somit wirksam ist? Das Basismodell umschreibt also seine Wirkungslogik. Es wird nachvollziehbar, welche einzelnen Schritte und Aktivitäten aufeinander folgen müssen, damit das Modell erfolgreich ist. Gleiches gilt auch für die Tragfähigkeit des erfolgreichen Modells. Ähnlich wie bei einem kommerziellen „Businessmodell“ sollte aufgezeigt werden, wie der Ansatz langfristig mithilfe von Spenden, Einnahmen, öffentlichen Mitteln und ehrenamtlichen Leistungen finanziert werden kann. Die entscheidende Frage ist: Habe ich bzw. hat meine Organisation bereits ein nachweisbar erfolgreiches Modell entwickelt, was nachhaltig finanziert werden kann?

3. Managementkompetenzen

Eine Skalierungsstrategie ist kein Buch mit sieben Siegeln. Gleichwohl setzt sie bestimmte Kompetenzen voraus, um erfolgreich zu sein. Insofern ist die Skalierung nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens. Je nach Wahl der Strategie, können Sie nicht mehr alles alleine machen! Sie müssen delegieren und mit mehr Menschen zusammenarbeiten. Sie müssen andere anleiten, ausbilden und motivieren. Dies setzt mitunter betriebswirtschaftliches Know-how voraus. Für viele Innovatoren verändert sich die Rolle im Prozess deutlich! Es stellt sich somit die Frage: Verfüge ich bzw. verfügen meine Mitarbeitenden über ausreichende Managementkompetenzen für die Skalierung?

4. Replizierbarkeit

Ein Modell ist dann replizierbar, wenn jemand anderes mein Modell übernehmen kann. Mein Ansatz muss also unabhängig von mir, den Bedingungen und Besonderheiten meiner Region funktionieren. Die wichtigste Voraussetzung ist dafür, den Ansatz so einfach wie möglich zu machen. Dafür sollte er in die wichtigsten Kernbestandteile zerlegt werden, um folgende Frage zu beantworten: Welche Schritte und Standards sind unabdingbar, um erfolgreich zu sein? Nur so können die wesentlichen Qualitätsstandards entwickelt werden, die andere unbedingt übernehmen sollten. Prüfen Sie daher genau, ob und wie andere den Ansatz übernehmen und erfolgreich anwenden können und was sie von Ihnen dafür benötigen.

5. Zeit, Geld und andere Kleinigkeiten

Wenn die eigene Idee nicht nur „irgendwie“ von anderen nachgeahmt werden soll, muss ich Zeit und Geld einsetzen, um den eigenen Ansatz zu verbreiten. Jede Skalierung benötigt somit den Einsatz von unterschiedlichen Ressourcen, die zusätzlich zum Tagesgeschäft zur Verfügung stehen müssen. Dieser zusätzliche Aufwand ist für fast jede kleine Organisation eine Herausforderung. Im kommerziellen Bereich spricht man von den „Investitions- bzw. Transferkosten“ und genau darum geht es auch im gemeinnützigen Sektor. Dieses Mehr an Geld, Zeit und Personal – die eigentlichen Transferkosten – müssen vorhanden sein, bevor ich erfolgreich skalieren kann. Eine nicht unwesentliche Frage ist daher: Verfüge ich über ausreichend Zeit und Geld, um neben dem Tagesgeschäft meinen Ansatz zu skalieren?

6. Reputation und Wirkung

Der Erfolg ist aber nicht nur von dem eigenen Ansatz abhängig, sondern auch von dem Ansehen, der Reputation. Diese kann ich mir nicht selber zusprechen, sondern sie wird mir von Personen und Institutionen zugesprochen, die von mir und meinem Ansatz überzeugt sind. Manche Organisationen haben eine Reputation in einem bestimmten Feld bereits erworben, andere müssen sich diese erst erarbeiten. Jeder weiß, wie schwer es ist, die ersten Partner zu gewinnen. Schirmherrschaften, Preise und Wettbewerbe können hierfür wichtige Wegbereiter sein. Daher sei die Frage gestellt: Verfüge ich bereits über Unterstützter, die mir dabei helfen können, meinen Ansatz deutschlandweit zu verbreiten und bekannt zu machen? Habe ich eine hohe Legitimation und Reputation, beispielsweise durch gewonnene Preise und Auszeichnungen sowie Präsenz in Medien und Presse?

Ausführlichere Informationen zu der Frage „Skalierung: ja oder nein?“ finden Sie im Handbuch „Skalierung sozialer Innovationen“.

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