Das Ende der Projektitis – und was danach kommt

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Uwe Amrhein, Generali Zukunftsfonds, beim open Transfer CAMP am 7.6.2013 in Köln

 

 

„Projektitis“ – so bezeichnet Uwe Amrhein vom Generali Zukunftsfonds die weit verbreitete Projektförderung, die auf Kurzfristigkeit und Innovation setzt, anstatt nachhaltig zu denken. Er stellte neue Ansätze vor, die ein Umdenken bei Projekten und Förderern bedürfen.

 

Uwe Amrhein vom Generali Zukunftsfonds warf in seiner Session die Frage auf, ob ein Ende der Projekt-Ära absehbar sei und stellte Ansätze vor, wie es danach weitergehen könne. Er begann mit einem Problemaufriss der momentan vorherrschenden Projektförderung. Ein Projekt sei laut Definition eine zielgerichtete Maßnahme mit einem klaren Anfangs- und Endpunkt. Schon per Definition zeige sich also, dass es sich bei einem Projekt um eine zeitlich begrenzte, an einem einzelnen Punkt ansetzende Sache handele. Gesellschaftlicher Wandel sei auf dieser Basis nicht möglich. Die Probleme einer meist kurzfristigen und daher in der nachhaltigen Wirksamkeit beschränkten „Projektitis“ seien sowohl Projektmachern als auch Förderern bewusst.Trotz des besseren Wissens über den damit geförderten Leuchtturm-Charakter von Projekten ändere sich bislang aber nichts Grundsätzliches.

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Kennzeichen der klassischen Projektförderung sei die Maßgabe eines hohen Innovationscharakters und die Vorgabe, dass ein Projekt noch nicht gestartet sein dürfe. Und dies sei nicht nur bei staatlicher Förderung der Fall, sondern auch bei der Förderung durch Stiftungen und Fonds. Auf dieser Grundlage sei aber keine Nachhaltigkeit und Stetigkeit möglich.Ein Beispiel seien die derzeit 500 Mehrgenerationenhäuser, die mittels Projektförderung bis zum Ende des Jahres 2014 gesichert seien. Einen Plan für danach gebe es bislang aber nicht. Der Anspruch der Förderung laute zudem immer, dass die gewährten Mittel direkt bei den Bedürftigen ankommen sollten. Dies sei aber nur mit einer langfristig vorhandenen Infrastruktur möglich, die von der Projektförderung nicht abgedeckt werde. Natürlich versuchten die Antragsteller hier häufig, die Maßgaben der Förderung zu umgehen bzw. im Sinne ihres Bedarfs zu interpretieren. 80 Prozent der beim Generali Zukunftsfonds eingereichten Projektanträge seien eigentlich Anträge zur Förderung von Infrastruktur. Ein möglicher neuer Ansatz sei es, dass sich mehrere Stiftungen zusammenschlössen und mit jeweiliger Projektförderung eine Infrastrukturförderung erreichten. Problem bei diesem Modell sei es allerdings, dass dann wieder das Geld für die kurzfristigen Projekte fehle.

Uwe Amrhein brachte weitere Vorschläge zur Verbesserung der Förderung. So könne als Voraussetzung für eine Förderung eingeführt werden, dass der Antragsteller drei Orte benennen müsse, an die das Projekt übertragen werden könne oder dass drei Projekte benannt werden müssten, mit denen der Antragsteller kooperieren wolle. Damit könnte der Kurzfristigkeit von Projekten, die auch höhere Kosten bedeute, entgegengewirkt werden. Außerdem plädierte Uwe Amrhein für die Wiedereinführung der früheren Grundsicherung von Projekten. Dem Gegenargument, dass durch die Grundsicherung viel Geld versickere, könne durch die Forderung eines stetigen Qualitätsnachweises entgegengetreten werden.

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In der anschließenden Diskussion wurde die Frage gestellt, wieviel echte Innovation denn in den geförderten Projekten stecke, die sich ja an dieses Kriterium halten müssten. Hierzu gäbe es jedoch keine Statistik oder Ähnliches, so Uwe Amrhein. Eine weitere Frage war, ob bei Verlängerung oder Erweiterung eines Projektes eine klassische Projektförderung möglich sei. Uwe Amrhein verneinte dies, da es sich hier dann ja nicht um eine Innovation handele. Er nannte dann als neuen Trend in der Förderung die Kooperation von verschiedenen Förderern. Als Beispiel brachte er einen Fall von Generali, bei dem sich vier große Stiftungen zusammengeschlossen hätten, um durch Kooperation eine institutionalisierte Infrastrukturförderung zu erreichen. Anderes Beispiel seien die geförderten „Grünen Damen“, bei denen Generali das Personal fördere und das Bundesfamilienministerium deren Fortbildung finanziere. Es zeige sich, dass die Förderer also durchaus bereit wären, neue Wege zu gehen. Deshalb forderte er die Projektmacher auf, ehrlich zu formulieren, was sie vorhaben und sich nicht auf die „Projektitis-Kriterien“ einzulassen. Zum einen seien durch neue Kooperationen andereWege möglich, zum anderen würden sich so langfristig auch die Förderkriterien ändern. Denn für die Förderer sei es wichtig, den Bedarf der geförderten Projekte mitzubekommen.

Als Problem wurde im Gespräch benannt, dass die Messbarkeit der Qualität sozialer Projekte sehr schwierig bzw. eigentlich nicht machbar sei, da es hierfür keine einheitlichen Kriterien gäbe. Dies müsse bei einer Änderung von Förderungsgrundlagen mitbedacht werden. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Bemerkung, dass Projektförderung eigentlich hieße, dass ein Projekt gefördert und nicht finanziert werde. Die Förderung stelle eigentlich einen Startschuss dar, durch den sich ein Projekt dann eine langfristige eigenständige Finanzierung aufbauen solle. Die Projektförderung werde aber häufig für eine langfristige Perspektive verwendet.

Die Diskussion zeigte, dass es einen großen Bedarf an Austausch zwischen Förderern und Geförderten gibt und dass dieser Austausch für Veränderungen in der Förderungslandschaft notwendig ist. Gespräche dieser Art, bei denen es nicht um eine einzelne Projektperspektive geht, sondern die Förderlogik insgesamt, scheint gewinnbringend. Auch hier stellt sich die Frage, wie eine solche Vernetzung aussehen kann und welche Werkzeuge oder Hilfestellungen dafür benötigt werden.

Fotos: Milos Djuric

Ein Kommentar bei “Das Ende der Projektitis – und was danach kommt

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