Das digitale Festival der Skalierung zum Nachschauen

Am 26. und 27. November 2020 fand das erste digitale Festival der Skalierung vom openTransfer Accelerator statt. Alle, die nicht dabei sein konnten, können sich nun alle Sessions nachträglich anschauen.

Gemaltes Festivalgelände

Das erste digitale Festival der Skalierung, durchgeführt vom openTransfer Accelerator und unterstützt von der aqtivator gGmbH, liegt nun schon ein paar Monate zurück. Ende November 2020 haben wir den Versuch gewagt und ein digitales zweitägiges Festival rund um das Thema Skalierung organisiert. Knapp 160 Besucher:innen sind unserer Einladung gefolgt und haben sich neues Wissen von Praktiker:innen und Expert:innen geholt sowie sich mit anderen gemeinnützigen Akteur:innen ausgetauscht. Für diejenigen, die das Festival verpasst haben oder es gerne noch einmal Revue passieren lassen möchten, haben wir gute Neuigkeiten: Ab jetzt könnt ihr euch die einzelnen Sessions noch einmal anschauen. Wir werden außerdem in den nächsten Monaten immer wieder kleinere Ausschnitte für euch aufarbeiten. Wer erst einmal einen Gesamtüberblick über die wichtigsten Themen und Erkenntnisse gewinnen möchte, darf jetzt weiterlesen.

Zu Beginn – gute Tipps für Organisationen auf Wachstumskurs

Für Organisationen, die ihre wirkungsvollen Angebote verbreiten möchten und noch nicht so ganz wissen, wie und wo sie starten sollen, bot das Festival jede Menge Wissenswertes. So ging es bei der Session „Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein? Die Pro‘s und Con‘s von Skalierung“ um Chancen und Herausforderungen im Transfer, sowie Tipps, wie die Skalierung gelingt. Eine Voraussetzung für die erfolgreiche Skalierung ist auf der einen Seite Klarheit und auf der anderen Flexibilität. Wer sich auf Wachstumskurs begibt, sollte zunächst seinen Wirkungskern herausarbeiten sowie die Werte, die wichtig sind, um das Projekt umzusetzen. Anna Rollin, die beim Verein Coach@School für die Skalierung des Bücherkoffers zuständig ist, unterstrich, wie wichtig es war, Eckpunkte des Programms und Zuständigkeiten klar zu definieren und diese transparent zu kommunizieren. Das erleichtere die Akquise und Zusammenarbeit mit den richtigen Projektpartner:innen vor Ort. Ähnliche Erfahrungen hat auch Tobias Marczinzik mit der Verbreitung der PIKSL Labore gemacht. Die PIKSL Labore sind Orte, an denen jede:r Zugang zur Digitalisierung finden kann und Menschen mit Behinderung Expert:innen werden, um Barrieren im Umgang mit digitalen Medien und Angeboten abzubauen und neue, universelle Lösungen zu entwickeln. Eine der größten Erfolgsfaktoren der Labore ist die Haltung, die Art, wie allen Menschen auf Augenhöhe begegnet wird. Das lässt sich nicht so leicht in einem Handbuch beschreiben. Das muss man vorleben und es braucht Menschen, die ähnliche Werte leben. Dass man Prozesse nicht 1:1 übertragen kann, haben beide Organisationen recht schnell gemerkt. Bei der Anpassung an lokale Gegebenheiten kommt daher die Flexibilität ins Spiel. Es sollte erlaubt sein, Dinge auszuprobieren und (im Kleinen) zu scheitern. Mit einem klaren Rahmen gelingt dies, auch ohne direkt die ganze Skalierung in Gefahr zu bringen.

Wie wichtig die richtigen Leute für eine erfolgreiche Skalierung ist, wurde in der Session „Eine Frage des Teams – welche Kompetenzen braucht Skalierung?“ deutlich. Die gute Nachricht vorab: Es ist nicht notwendig, von Anfang an alle Kompetenzen im Team zu haben. Kai Hübner, der mit Impact Collective wachsende Organisationen bei der Organisationsentwicklung unterstützt hat, betonte, wie wichtig es ist, zu reflektieren, wo die Organisation momentan steht und wo sie hinmöchte. Basierend darauf können Organisationen dann definieren, welche Kompetenzen es hierfür braucht, welche davon bereits im Team abgedeckt sind und welche noch fehlen. Im ersten Schritt können letztere natürlich auch durch externe Unterstützung gedeckt werden. Das muss nicht immer mit zusätzlichen Kosten verbunden sein. So kann man auch auf Pro Bono Angebote oder Corporate Volunteering zurückgreifen. Damit diese Unterstützung zielführend ist, ist es essenziell, sich ganz genau darüber im Klaren zu sein, wo Hilfe benötigt wird. Eine weitere großartige Idee kam von Frederic Simon von On Purpose, die Mitarbeitende auf Zeit in gemeinnützige Organisationen vermitteln. Er schlug vor, sich zusätzliche Expertise durch einen Beirat hinzuzuholen.

Den nächsten Schritt wagen – die Skalierung nachhaltig auf die Beine stellen

Auf dem Panel „David mit Goliath“ diskutierten unsere Referent:innen, welche Chancen, aber auch welche Herausforderungen sich ergeben, große Player, wie Wohlfahrtsverbände als Partner:innen mit ins Boot zu holen, um die Skalierung voranzubringen. Rose Volz-Schmidt des Sozialunternehmens wellcome, verbreitet ihr Angebot über einen Social Franchise-Ansatz. wellcome hilft Müttern, denen nach der Geburt eines Kindes, die nötige Unterstützung durch Freunde und Familien fehlt. Daher sind Social Franchisenehmer vor Ort Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, wie etwa lokale Wohlfahrtsverbände. Sie hat früh gelernt, dass klare Kommunikation wichtig ist für eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das bedeutet zum einen, zu zeigen, wie das eigene Angebot die Arbeit der Träger unterstützen und ergänzen kann, ebenso wie proaktiv zu erklären, welche Standards wichtig sind und warum. Es reicht nicht, diese in Verträgen festzuhalten, sondern sie müssen zur Sprache gebracht werden, damit alle Parteien verstehen, worauf sie sich einlassen. Viele betrachteten es als den Jackpot, Kontakte auf Bundesebene von Wohlfahrtsverbänden herzustellen. Aufgrund der dezentralen Struktur sei es jedoch besser, auf lokaler Ebene anzusetzen, rät Horst Krumbach von der Generationsbrücke Deutschland, einem Programm, das Kita-Kinder mit Menschen in Altersheimen zusammenbringt. Das bestätigte auch Johannes Grünecker vom AWO Bundesverband e.V.  Er riet, zunächst auf lokaler Ebene Vertrauen zu schaffen. Rose Volz-Schmidt ergänzte, dass es neben der Netzwerkpflege enorm wichtig sei, Mechanismen sowie Restriktionen zu verstehen, denen das Personal in der Verwaltung unterworfen sei. Denn manchmal scheitert es nicht an der Begeisterung, sondern daran, dass die Angebote nicht in die Förderrichtlinien passen.

In der Session „Wirkung skalieren mal anders“ drehten wir die Gleichung „Mehr Standorte = größere Wirkung“ auf den Kopf und schauten uns an, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, die eigene Wirkung zu erhöhen. Odin Mühlenbein von Ashoka Deutschland stellte dafür das Bild der Wasserhähne vor, aus denen permanent Wasser in einen Raum fließt und diesen immer weiter unter Wasser stellt. Als Analogie zum gemeinnützigen Sektor begriffen, würden die meisten Organisationen zum Wischmopp greifen um mit diesem die Überflutung schnell in den Griff zu bekommen. Sie bekämpfen also Symptome. An die Ursache – die Wasserhähne – gehen sie dabei selten. Doch einige Organisationen machen sich daran, die Wasserhähne zuzudrehen, also systematisch an die Lösung eines Problems heranzugehen. Das hört sich einfacher an, als es ist. Denn natürlich muss man erst einmal verstehen, an welcher Stelle man die beste Hebelwirkung hat. Außerdem benötigt es eine gewisse Größe und Ruf. Im besten Falle macht man das auch nicht alleine. Es gehe jedoch nicht darum, dass alle Organisationen nur noch systemisch arbeiteten. Es braucht nach wie vor diejenigen, die akute Probleme lösen. Tatsächlich sollte das sogar die absolute Mehrheit machen. Dennoch: Manchmal lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und sein eigenes Angebot einmal umzukrempeln. Clara Péron von Value for Good empfiehlt, von der intendierten Wirkung zu starten, immer wieder zu schauen, ob man richtige Wege einschlägt und so stetig Ursachen und mögliche Stellschrauben zu evaluieren. Manchmal reicht es schon, den zweiten vor dem ersten Schritt zu tun.

Auch in Krisen standfest – Skalierung in Zeiten von Herausforderungen meistern

Das letzte Jahr hat auch gemeinnützige Organisationen vor viele Herausforderungen gestellt. Das haben wir vom openTransfer Accelerator nicht zuletzt hautnah bei unseren Stipendiat:innen aus dem Jahrgang 2020 mitbekommen. Im Abschlusspanel berichteten sie von den Herausforderungen durch Corona. Während fast alle ihre Angebote pausieren oder ins Digitale verlegen mussten, haben sie dennoch weiter an ihren Skalierungsmodellen gefeilt. Viele haben die Zeit genutzt, ihre Handbücher zu schreiben oder Gespräche mit potenziellen Partner:innen zu führen. Dennoch: Für einige hat die Krise Anlass gegeben, noch einmal das erarbeitete Konzept zu überdenken, einen Gang zurückzuschalten und sich erstmal auf die Skalierung in der eigenen Stadt oder im eigenen Bundesland zu fokussieren.

Die Frage, ob Skalierungsorganisationen insgesamt resilienter in Krisensituationen sind, stand im Fokus der Session „Alles stockt, doch wir wachsen? – Resilienz und Skalierung in Krisenzeiten“. Hier kamen die Ackerdemia, die mit ihrem Programm GemüseAckerdemie Kinder dazu ermutigt, sich mit dem Ursprung ihres Essens auseinanderzusetzen, sowie der DRK Kreisverband Wolfenbüttel, der mit dem Sozio-Med-Mobil einen routenoptimierten, digitalisierten, kostenlosen Gemeinschaftsfahrdienst für bedürftige Menschen in medizinisch unterversorgten Regionen entwickelt hat, zu Wort. Beide Organisationen haben es geschafft, in den letzten Monaten nicht nur ihr Angebot aufrecht zu erhalten, sondern es sogar noch auszubauen. Ihr Geheimnis? Mit Sicherheit spielte hier auch die Reife der Organisation eine Rolle. Christoph Schmitz, Gründer und Geschäftsführer der Ackerdemia gab zu bedenken, dass sie wohl nicht so gut über die Runden gekommen wären, wenn sie noch ganz am Anfang gestanden hätten. Außerdem spielte die Art der Angebote ihnen in die Karten. Während das Sozio-Med-Mobil einen Service durchführt, der auch in Zeiten von Corona essenziell ist, hatte die GemüseAckerdemie das Glück, dass ihre Angebote größtenteils an der frischen Luft stattfinden. Dennoch hat beiden Organisationen geholfen, dass sie schon recht früh gute Strukturen aufgebaut und Prozesse entwickelt haben, mit denen sie schnell auf Veränderungen reagieren konnten – und zwar nicht nur auf Krisen, sondern auch auf positive Veränderungen, wie wenn plötzlich ein:e große:r Förderpartner:in an die Tür klopft.

Voneinander lernen – gerne auch mal außerhalb der eigenen Bubble

Was in den zwei Tagen deutlich wurde ist, wie wichtig der Austausch mit anderen Organisationen ist, egal ob sie sich gerade am Anfang der Skalierung befinden und ähnliche Herausforderungen haben, oder ob sie schon weiter sind und Tipps geben können. Auch der Blick über den Tellerrand lohnt sich. In der Session „Skalierung für Profit & Wirkung: Was können sozialer & kommerzieller Sektor voneinander lernen?“ haben wir daher einen Blick auf den kommerziellen Sektor gelenkt und gemerkt, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind, wie gedacht. Arne Dähn vom Deutschen Franchiseverband beschrieb Franchising als die Idee, dass ein funktionierendes Geschäftsmodel mit selbständigen Unternehmern multipliziert wird, wobei Zentrale und lokale Standorte zwei gleichberechtigte Partner:innen sind. Das lässt sich natürlich auch gut auf den gemeinnützigen Sektor übertragen, was erfolgreiche Social Franchise-Unternehmen belegen. Ob eine Organisation skaliert oder nicht, hänge weniger vom Geschäftsmodell ab, so Birgit Heilig vom Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, als vielmehr von der Haltung und Motivation der Gründer:innen.

Wie geht es weiter? Ist November der neue Monat für Festivals?

Da die Rückmeldungen auf das Festival so positiv waren, werden wir es in diesem Jahr ein zweites Mal durchführen. Markiert also schon mal den 18. und 19. November 2021 im Kalender, denn dann öffnen wir für euch wieder die Tore! Bis dahin freuen wir uns über weiteres Feedback, Themenvorschläge und allgemein über den Austausch mit euch über accelerator@opentransfer.de.  

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