Generationsbrücke Deutschland – transatlantischer Ideentransfer

Wie man eine gute Idee aus den USA nach Deutschland holt und so erfolgreich anpasst, dass die Verbreitung fast von selbst läuft, macht die Generationsbrücke Deutschland vor. Dabei hatte der Initiator Horst Krumbach eigentlich ganz andere Pläne.

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Im Jahr 2007 war Horst Krumbach Leiter eines Pflegeheims in Aachen. Als solcher war er immer auf der Suche nach neuen Ideen und Angeboten für die Bewohner. Besonders vielversprechend für einen Blick über den Tellerrand erschienen ihm die USA – ein Land, in dem die soziale Absicherung große Lücken hat und private Organisationen besonders ideenreich versuchen, die staatlichen Defizite auszugleichen. Ein Programm der Robert Bosch Stiftung bot die Gelegenheit, intensiv die Organisation kennenzulernen, die heute Bessie’s Hope heißt. Sie bringt Kinder und Jugendliche regelmäßig mit pflegebedürftigen Menschen zusammen – mit beeindruckenden Resultaten. Krumbach: „Das Ziel damals war ganz bestimmt nicht, ein Projekt nach Deutschland zu holen und hier mit ihm zu wachsen.“ Doch genau das sollte passieren.

In Denver, Colorado, hospitierte Krumbach sechs Wochen lang bei Bessie’s Hope. Die Idee fand er von Anfang an spannend. Als er dann erlebte, was das Programm im Heimalltag auslöste, war er elektrisiert: „Es war wie ein Blitzschlag. Zu sehen, wie die pflegebedürftigen Menschen nach nur einer Stunde Besuchszeit wie verwandelt waren, viel lebendiger und wacher wirkten, veränderte alles.“ Für die alten und pflegebedürftigen Menschen bringen die Besuche der Schüler jede Menge Abwechslung und Freude in den Heimalltag. Nicht zuletzt für demenziell veränderte Menschen bedeutet das Programm, dass sie stärker in die Gesellschaft integriert werden. Die Kinder und Jugendlichen erleben Wertschätzung, menschliche Nähe und Zuneigung. Sie profitieren von der Lebenserfahrung der alten Menschen und setzen sich mit Themen wie Altern, Pflegebedürftigkeit, Demenz und letztlich auch dem Tod auseinander.

Nach diesem ersten Erleben war für ihn klar, dass er das Projekt auch in seiner Einrichtung, dem Aachener Marienheim, brauchte.

Keine 1:1-Übertragung

Zurück in Deutschland hat sich Krumbach anderthalb Jahre Zeit genommen, das Projekt an die deutschen Verhältnisse anzupassen und ein schlüssiges Konzept zu entwickeln. Der Zufall wollte es, dass eine Mitarbeiterin, die ihr praktisches Jahr im Marienheim machte und ebenfalls von dem Projekt infiziert wurde, ihre Diplomarbeit in Sozialpädagogik über die Übertragung des Konzepts schreiben konnte und dabei wichtige Impulse lieferte. Im Mai 2009 startete das Projekt dann als „Generationsbrücke Aachen“ im Marienheim.

Die Adaption des amerikanischen Ansatzes bedeutete unter anderem, dass nun der Schwerpunkt der teilnehmenden Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter liegt, nicht – wie in den USA – bei älteren Jugendlichen. Außerdem werden feste Tandems von Kindern und Pflegebedürftigen gebildet, sodass eine Beziehung wachsen kann. Krumbach erläutert: „Gerade durch die persönliche Beziehung zwischen dem Kind und seinem Bewohnerpartner wird der Erlebniswert für beide Beteiligten noch intensiver.“

Bessie’s Hope blieb dabei weitgehend außen vor. Krumbach und sein Team orientierten sich bei ihrem Konzept an den core values der Mutterorganisation, ansonsten informierten sie diese lediglich über Neuigkeiten.

Skalierung in Deutschland

Die Verbreitung in Deutschland war am Anfang nicht beabsichtigt gewesen. Der Stein kam dennoch ins Rollen, als sich ein zweites Pflegeheim in Aachen meldete und das Projekt implementieren wollte. Dann wurde die Presse auf das ungewöhnliche Projekt aufmerksam, ein weiteres Heim in Nürnberg kam auf Horst Krumbach zu. Echten Schwung bekam die Verbreitung aber durch die erfolgreiche Bewerbung am Transatlantischen Ideenwettbewerb USable der Körber-Stiftung. Projekte, die erfolgreich soziale Ideen aus den USA nach Deutschland geholt haben, werden mit Geld und Coachings intensiv unterstützt. Auch die überregionale Presse berichtete nun, und die BMW Stiftung Herbert Quandt nahm die Generationsbrücke ins Transatlantic Forum auf. In einem ausgewählten Kreis von jungen Führungskräften aus der ganzen Welt bekam Krumbach die Gelegenheit, sein Projekt vorzustellen und eine solide Beratung zu erhalten. Der eintägige Workshop in New York legte die Grundzüge der Skalierungsstrategie fest. Drei Monate hatte sich Krumbach auf diesen einen Tag vorbereitet. So ist er alle Fragen losgeworden, die sich im Vorfeld gestellt hatten.

Fand die Übertragung nach Nürnberg noch informell statt, gibt es nun ein etabliertes Verfahren. Es sieht vor, dass sich an eine Anfrage bei der inzwischen gegründeten Generationsbrücke Deutschland ein 2- bis 3-tägiger Workshop vor Ort in der Einrichtung anschließt. Hier wird das Konzept ausführlich erläutert und danach ein Vertrag geschlossen. Dieser regelt die Lizenzierung des Projekts, die Qualitätsstandards und die (geringen) Gebühren. Eine erste Schulung erreicht die beteiligten Erwachsenen, also unter anderem Schulleiter und Pflegeheimleiter, im zweiten Schritt werden die Kinder, die am Programm teilnehmen, während des Unterrichts vorbereitet. Schließlich begleitet das Generationsbrücke-Team die erste Besuchsveranstaltung in der Einrichtung. Ein Handbuch informiert über die Details des Konzepts, hinzu kommen eine jährliche Fachtagung und der kurze Draht zur Zentrale in Aachen.

Learnings

Die inzwischen erfolgreiche Übertragung in acht Bundesländer mit 25 Kooperationspartnern war zu einem Großteil ein Ausprobieren und ein beständiges Nachjustieren. Was die Generationsbrücke Deutschland unter anderem gelernt hat:

Die Projekte, die nicht weit von der Zentrale in Aachen liegen und daher häufiger besucht wurden, konnten das Projekt sehr viel reibungsloser implementieren. Daher wird in Berlin derzeit der Pilotversuch unternommen, mithilfe eines Regionalkoordinators die Einrichtungen vor Ort engmaschiger zu begleiten.

Was Anfangs keiner auf der Agenda hatte: Jedes dritte Kind verliert im Projektzeitraum von einem Jahr seinen Bewohnerpartner, weil dieser stirbt. Um die Kinder hierauf vorzubereiten, reichte das interne Know-how nicht. Eine Kinder- und Jugendpsychologin wurde eingebunden, um dieses Thema frühzeitig zu adressieren. Was sich anfangs als Problem darstellte, ist heute eine große Stärke der Generationsbrücke.

http://www.generationsbruecke-deutschland.de/

http://www.bessieshope.org/

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