Vernetzung im ländlichen Raum. Erfahrungen vom BarcampTEN #bct13

Die Organisatoren des vermutlich ersten Barcamps im ländlichen Raum teilen hier Tipps und Erfahrungen des BarcampTEN, das am 23.11.2013 in Kempten im Allgäu stattfand. Zu dem Thema Innovations- und Gründerkultur versammelten sich 55 sozial, kreativ und unternehmerisch Engagierte. Es war der Startschuss für eine neue Vernetzungskultur.

 

Wir waren es satt, uns zu fragen, ob man ein Barcamp nur in Großstädten durchführen kann und organisierten das BarcampTEN in Kempten im Allgäu. Der Wissenstransfer, die Vernetzung und die konstruktive Energie, die auf solchen Veranstaltungen entsteht, muss doch auch in ländlichen Gegenden funktionieren, oder? Denn genau das fehlt den Organisatoren im Allgäu. Es gibt über die Region verteilt spannende Unternehmertypen, Denker und Macher, aber keine Plattform und Anerkennungskultur für das Entstehen von Neuem.

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Die Professorin Katrin Stefan setzte das Barcamp auf das Programm der Gründerwoche. Der Student Anton Main übernahm die Organisation als Praxis Research Projekt und der Barcamp-erfahrene Jungunternehmer Simon Schnetzer koordinierte die Vorbereitungen und Netzwerkarbeit. Als Thema wurde „Innovations- und Gründerkultur im ländlichen Raum“ festgelegt, um spannende Leute zusammenzubringen, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Das Ergebnis bestätigt, dass dieses Format auch im ländlichen Raum sehr gut funktionieren kann. Allerdings muss man in der Vorbereitung einige regionale Besonderheiten berücksichtigen.

Was wir empfehlen:
1. Bei einem OpenTransferCamp teilnehmen, Barcamp-Atmosphäre erleben und den Organisatoren auf die Finger schauen
2. Mit dem Leitfaden für Jugendbarcamps von youthpart/ikosom die Vorbereitungen planen

TIPPS FÜR DIE UMSETZUNG

Kommunikation

So schön oder cool es auch sein mag zu sagen: „Wir machen ein Barcamp“, manchmal ist es besser, den Begriff nicht zu verwenden und sich eine regional typische Umschreibung dafür einfallen zu lassen. Die Nutzung der Umschreibung „Ein Treffen bei dem Denker und Macher zusammenkommen, sich kennenlernen und über Ideen austauschen” kann die Kommunikation ungemein erleichtern. Die Worte „Barcamp“ oder „Unkonferenz“ sorgen in der Regel für Verwirrung. Wir haben diese Lektion erst gelernt, als wir sämtlichen eingeladenen Leuten individuell erklären mussten, wie diese Veranstaltung funktioniert. Wir hatten auf der Webseite www.barcamp-ten.de für das Barcamp ein Video eingebunden, das die Funktionsweise von Barcamps erklärt, aber für die Kommunikation ist eine einfach nachvollziehbare Formulierung unerlässlich. Auf Barcamps wird in der Regel geduzt, aber wir haben uns bewusst für das Siezen in der Kommunikation entschieden, um mit der Veranstaltung bei potenziellen Teilnehmern nicht unnötig anzuecken. Auf dem Camp sprachen sich die Teilnehmer dann einstimmig für das Duzen aus.

Barcamp-Webseite
Wir haben uns für eine Webseite auf der Plattform Mixxt entschieden. Das ist umsonst, bringt aber ein paar Probleme mit sich. Einerseits sind dort deutschlandweit Barcamp-erfahrene Menschen vernetzt, andererseits besteht die Hürde, sich für die Konferenzteilnahme extra registrieren lassen zu müssen. Neue Plattform-Nutzer wurden von der erforderlichen Angabe persönlichen Daten abgeschreckt. Da die Anmeldung dann per E-Mail erfolgte, erschien die sichtbare Teilnehmerliste auf Mixxt so kurz, dass einige Interessierte deswegen nicht kamen.

Teilnehmer & Presse
„Wer kommt dahin?“ oder „Wird das gut?“. Das sind die Fragen, die man als Veranstalter ständig beantworten muss. Man kann nicht garantieren, dass es sich für Teilnehmer lohnt zu kommen. Beim ersten Mal, wenn man noch keine Erfahrungswerte hat, sind alle skeptisch. Man muss sich beim Einladen weit aus dem Fenster lehnen und Überzeugungsarbeit leisten, denn gut wird es erst, wenn eine kritische Masse zusammenkommt und mitmacht. Daher braucht man dringend Netzwerkpartner, die bei den Zielgruppen Vertrauen genießen und ebenfalls für die Teilnahme werben. Am Ende hatten wir 55 Teilnehmer aus sehr verschiedenen Bereichen und 12 tolle Sessions. Beim nächsten Mal hätten wir gerne noch mehr Unternehmertypen, Handwerker aber auch Landwirte dabei.

Regionalität
Das Barcamp-Logo steht unter Creative-Commons-Lizenz und kann je nach Bedarf angepasst werden. Wir haben uns dafür entschieden, dem Logo die Silhouette von Kemptens Basilika zu verpassen. Den Räumen für die Sessions wurden die Namen von Allgäuer Bergen zugeteilt, wobei den höchsten Bergen die größten Räume entsprachen. Bei der Verpflegung arbeiteten die Organisatoren mit einem kleinen Caterer zusammen, der viel Wert auf regionale Produkte legt. Beim nächsten Mal werden wir allerdings eine größere Menge der begehrten vegetarischen Snacks anfordern.

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Wie geht’s weiter?
Bevor das Barcamp vorbei ist, wird evaluiert. Wenn die TeilnehmerInnen so begeistert sind wie in Kempten, dann werden viele fragen, wann das nächste Barcamp stattfindet. Es sollte am Ende klar sein, wer sich um die Organisation des nächsten Camps kümmert. In dieser Situation sollte man unbedingt die Chance ergreifen und fragen, welche Teilnehmer bei der Organisation des nächsten Barcamps mithelfen – und deren Namen und Kontaktdaten notieren. Ein guter Zyklus für Barcamps sind zwei oder drei Veranstaltungen pro Jahr.

BEISPIELE FÜR SESSIONS AUF EINEM LÄNDLICHEN BARCAMP
Nachfolgend bieten wir eine kleinen Auswahl der Sessions, die typischerweise Erfahrungen, Ideen oder Herausforderungen zum gemeinsamen Denken anbieten. Eine Session dauerte 30 Minuten und nach maximal 10 Minuten sollten die Sessiongeber die Diskussion eröffnen.

Der ehemalige Profilangläufer Michael Schnetzer brachte den Teilnehmern in seiner Session „Wege zum Erfolg – über Motivation, Stressbewältigung und die Notwendigkeit des Scheiterns“ ganz konkrete Übungen bei, um besser mit Stress und Leistungsdruck umzugehen. In der Session „Ohne Bier keine erfolgreiche Gründung“ diskutierten die Jungunternehmer Sebastian Kern und Marc Münster, wie man nach Feierabend den essenziellen informellen Austausch von Denkern und Machern fördern kann. Die SEO-Expertin Stefanie Fahrner gab in der Session „Suchmaschinenoptimierung für Kleinunternehmen“ Profi-Tipps, wie man die Sichtbarkeit der eigenen Webseite und anderer Angebote im Netz steigert. Biniamin Johannes, Student und Vertreter der Initiative Rock Your Life! für Kempten, berichtete in der Session „Brücken zwischen Unternehmen, Schülern und Studenten“, wie er und andere Studierenden das Social Franchise in Kempten aufbauen und Hauptschülern helfen, ihr Potenzial zu entfalten.

Ein Überblick über alle Sessions findet sich hier: http://www.slideshare.net/JUGENDSTUDIE/bct13-wwwbarcamptende-sessiondokumentation-ccby-2013-anton-maindatajockeyeu
NACHWIRKUNGEN DES BARCAMPTEN
In den Wochen nach dem BarcampTEN ist viel passiert. Es hat sich eine Gruppe formiert, die sich für Kempten die Möglichkeit des Co-Working wünscht und gemeinsam ein Konzept dafür erarbeitet. Auf Facebook wurde die Gruppe „Gründerbar“ für den Austausch nach Feierabend gegründet. Vertreter der regionalen Presse haben ihr Interesse an künftigen Veranstaltungen bestärkt. Mitglieder verschiedener Verbände haben angekündigt, dass sie unbedingt beim nächsten Barcamp dabei sein werden. Ein Sponsor hat schon zugesagt, das nächste Barcamp wieder zu unterstützen. Und zusammen mit Partnern in Berlin und München werden bereits Pläne geschmiedet, das Thema Gründerkultur im ländlichen Raum 2014 als ein nationales Barcamp aufzuziehen.

FRAGEN FÜR DIE ZUKUNFT
Mit einem Barcamp wird etwas in Gang gesetzt, was unmöglich das Ende der Bemühungen sein kann. Die Fragen der Organisatoren sind daher:
– Wie können wir noch unterschiedlichere Gruppen als Teilnehmer ansprechen?
– Wie gut funktionieren Barcamps für spezielle Themen?
– Wie gut lassen sich unsere Erfahrungen auf andere Orte übertragen?
– Wie groß wird das nächste BarcampTEN?

 

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