Rollifräulein – Selbstständigkeit mit Sprachhandicap
Eine Session von Tanja Kollodzieyski (rollifraeulein.de) und Eva Ihnenfeldt, steadynews.de
Tanja Kollodzieyski ist vielen als bloggendes „Rollifräulein“ bekannt. In der Session berichtete sie von Situationen, in denen Inklusion noch eine ferne Vision zu sein scheint und davon, wie sie sich selbst und anderen Menschen mit ähnlicher Behinderung Mut macht.
Tanja Kollodzieyski hat einen Masterabschluss in Germanistik und Literaturwissenschaft und möchte sich im Bereich Marketing selbstständig machen. In ihrer Session hat sie ihre Idee vorgestellt und Feedback von den Teilnehmenden erbeten. Denn, obwohl sie einen Uni-Abschluss und einschlägige Praxiserfahrung hat und ein erfolgreiches Crowdfunding für ein Reiseprojekt vorweisen kann, bekommt sie wegen eines Sprachhandicaps nur Schwer Zugang zum Arbeitsmarkt.
Die Session war als experimentelles Interview aufgebaut. Eva Ihnenfeldt stellte Tanja Kollodzieyski Fragen, und die Sessionteilnehmenden hörten zunächst zu. Sie bekamen einen Zettel mit den Fragen und sollten im Anschluss an jede Frage auf dem Zettel ankreuzen, ob sie die Antwort Wort für Wort verstanden und/oder den Sinn verstanden haben. Im Anschluss daran gab es eine Feedbackrunde. Das Format sollte dazu dienen, herauszufinden, wie Tanja andere Menschen von ihren Kompetenzen besser überzeugen kann und wo sie Schwerpunkte in ihrer Kommunikation setzen könnte.
Bei den Fragen ging es grundsätzlich im Tanjas Lebensweg, die Stärken und Strategien, die sie entwickelt hat, mit welcher Motivation ihre Projekte verfolgt oder was Menschen ohne Behinderung von Menschen mit Sprachproblemen lernen können. So berichtete Tanja Kollodzieyski davon, wie sie lernen musste, sich durchzusetzen und überhaupt den Mut zu finden, zu sprechen. Außerdem hat sie gelernt, sich sehr präzise auszudrücken. Das ist auch einer der Gründe für ihren gekonnten Umgang mit Twitter. Wenn andere umschalten müssen von mitunter ausschweifender Alltagssprache, sind für Tanja der kurze und prägnante Ausdruck der Alltag. Den Mut, den sie sich angelernt hat, will sie auch anderen machen. Zu viele machten den Mund nicht auf, weil sie fürchten, dass Menschen ohne Sprachprobleme davon genervt sein würden.
Gleichzeitig hat sie einen Tipp für alle Anwesenden gehabt: Das Schlimmste, was ihr passieren kann, ist, wenn sie etwas erzählt und ihr Gegenüber es zwar nicht versteht, aber dennoch so tut als ob. Das merke sie schnell, und in solchen Momenten fühlt sie sich nicht ernst genommen. Viel besser ist es, wirklich einfach nachzufragen, wenn man etwas nicht verstanden hat.
Auffällig war, dass die Sessionteilnehmenden ausgesprochen still waren während des Interviews. In der Feedbackrunde wurde deutlich, dass sie die meisten insgesamt sehr konzentrieren mussten, um alles zu verstehen. Zumindest den Sinn der Aussagen konnten die allermeisten aber wohl nachvollziehen, wie die Diskussion über den Inhalt gezeigt hat. So meldeten die Teilnehmenden zurück, dass Tanja noch mehr ihr Alleinstellungsmerkmal fokussieren und noch mehr herausstellen könnte, wie groß der Bedarf nach jemandem wie ihr aufgrund des allgemein mitunter schlampigen Sprachgebrauchs ist. Gleichzeitig könnte sie auch die Ängste, die sie überwunden hat, zu ihrem Thema machen und anderen dabei helfen, eigene Ängste zu überwinden.
Zum Schluss wurde Tanja Kollodzieyski noch gefragt, warum sie nicht Hilfsmittel wie einen „Talker“ benutzen würde. Wenn sie so einen hätte, würde er sie fauler machen und sie würde noch weniger sprechen. Und dies wäre nicht zu wünschen, nicht für sie, nicht für ihre Zuhörerinnen und Zuhörer und nicht für diejenigen, denen sie selbst noch Mut machen will.
Foto: Andi Weiland